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Im Interview mit

Tracy Otoo und Udo Witt

Noch keinen Tag gefehlt.
November 24, 2017 Tredaktion

Interview mit Tracy Otoo und ihrem Kollegen Udo Witt.

Ein besonnener Morgen. Die Menschen, die ihre Arbeit im Martinshof Betriebsstätte Schiffbauerweg antreten, gehen langsamer als die, die sich in unmittelbarer Nachbarschaft dem Shoppingtempel Waterfront nähern.

Gemach treten auch wir in die Konfitürenmanufaktur der Bremer Werkstatt ein und finden in der Küche eine angenehme Stille, zwei Menschen und eine Charge blaubeerfarbener Gläser vor, die einvernehmlicher nicht sein könnten. Es scheint, alles, worauf Tracy und Udo ihre Aufmerksamkeit richten, zeigt sich von seiner besten Seite. Hier möchte man gerne eine Konfitüre sein oder Gesprächspartner.

Ich bin Tracy Otoo. Am 01.10.2017 arbeite ich zwei Jahre hier in der Küche und es gefällt mir sehr gut. In der Woche arbeite ich von 8.00 bis 15:50 Uhr, freitags von 8:00 – 13:10 Uhr und am Wochenende habe ich frei. Wir kochen hier Konfitüre, Mango- und Karotten – Chutneys. Manchmal wiegen und füllen wir auch Tee ab, je nachdem.

Mein Name ist Udo Witt. Ich bin seit dem 01.04.1988 in der Werkstatt Bremen tätig. Seit 1995 arbeite ich in diesem Gebäude in Bremen Gröpelingen. Als ich hier ankam, habe ich in der Lohnfertigung angefangen. Dann haben wir für eine Firma Kalenderschiebeleisten gemacht. Anschließend habe ich als Monteur Autozubehör eingeschweißt und verpackt, wollte dann aber einen neuen Bereich kennenlernen und bin dann hier in der Küche angefangen zu arbeiten.

Ganz am Anfang stand hier eine Kartoffelschälmaschine und wir haben auch ‘ne Zeit lang u.a. für Firma Menke gearbeitet: Kartoffeln geschält, Spieße und Rouladen gemacht. Meine Aufgabe bestand auch darin den Schockfroster zu bedienen und die Kartons zu packen. Mit der Zeit kam der Tee dazu und dann haben wir ganz langsam mit der Konfitüre angefangen. In der Anfangsphase haben wir 100 – 200 Gläser am Tag geschafft. Wir mussten jedes Glas einzeln wiegen und die Stoffdeckel selber schneiden. Irgendwann haben wir die Abfüllmaschine bekommen, die hat uns die Arbeit sehr erleichtert.

Udo, du redest überwiegend in der Wir- form, wenn du von der Arbeit sprichst. Wie kommt das?

Udo: Wieso? Ich fühle mich wohl hier unter den Kollegen und arbeite gerne in der Werkstatt. Vor allem in der Küche ist es ein schönes Arbeiten, weil es so abwechslungsreich und vielseitig ist.

Als wir reingekommen sind habt ihr Gläser etikettiert. Was genau ist da drin?

Tracy: Da ist Konfitüre drin. Unsere Serie – Die Bremer Stadtmusikanten:
Birne, Kirsche, Erdbeere, Blaubeere. Jede Frucht steht für ein Tier.

Udo: Ein 4er Set, das gibt es einmal in Groß und einmal in Klein. Der Hahn ist die Kirsche, der Hund ist die Erdbeere, die Katze ist Blaubeere und der Esel die Birne. Und der war auch schon mal hier der Esel.
Wie meinst du das denn jetzt?

Das ist eine Frau, die Stadtführungen macht und als wir dann die Birnenkonfitüre gekocht haben, kam die vorbei und hat dann auch ein Interview mit uns geführt. Das lief dann im Offenen Kanal Bremen.

Tracy: Die Frau hat kurze Haare und ist stadtbekannt!

Viele Menschen in Bremen kennen die Werkstatt als berufliche Rehabilitationseinrichtung, wissen aber nicht genau, was sie sich darunter vorstellen sollen. Was sagt ihr, wenn euch jemand nach eurem Beruf und/ oder Arbeitgeber fragt?

Udo: Ich sage denen, dass ich in der Werkstatt Bremen arbeite und da mit Konfitüre zu tun habe.

Tracy: Ja, das stimmt, die meisten kennen die Werkstatt, fragen dann aber genauer nach, warum ich da arbeite und wo genau. Es gibt dann ganz schön viele Fragen. Ich erkläre denen dann, wie das hier ist.

Was sagen die Leute aus eurem privaten Umfeld zu den Produkten, die ihr hier herstellt.

Udo: Meiner Fußpflegerin bringe ich in der Weihnachtszeit auch mal ne Konfitüre mit – warum auch nicht?! Und die findet die voll lecker.

Tracy: Ich mag die Birnenkonfitüre besonders gerne und verschenke sie auch mal.

Udo: Erdbeere und Kirsche schmecken aber auch sehr gut.

Über welches Kompliment eurer Kunden würdet ihr euch am meisten freuen?

Tracy:
Dass sie zufrieden sind und sich an dem was wir hier herstellen freuen und sich dafür bedanken.

Udo:
In unseren Konfitüren und Chutneys steckt wirklich viel Handarbeit drin.
Wir putzen die Gläser von Hand und kleben die Etiketten einzeln drauf…

Tracy:
…wiegen von Hand ab, füllen die Gläser, während ein anderer den Deckel oben drauf macht.

Gibt es einen Unterschied zwischen den Konfitüren, die ihr herstellt und einer durchschnittlichen Discounter Marmelade?

Tracy: Das schmeckt man schon raus, dass die selbstgemacht sind. Ganz bestimmt!

Udo: Natürlich schmeckt man den Unterschied, ob eine Konfitüre handgemacht oder maschinell hergestellt wurde. Das Besondere unserer Konfitüre kann man ganz klar rausschmecken.

Ich habe gehört, dass eure Produkte auch in ein paar Supermarktregalen stehen. Seit ihr mal an einem vorbeigelaufen?

Tracy: Ja stimmt, bei Edeka! Da habe ich auch schon mal Öle oder Konfitüren von uns gesehen.

Udo: Ist schon lustig die Sachen da stehen zu sehen und auch ein komisches Gefühl irgendwie.

Stellst Du dich dann auch mal vor das Regal und schaust dir die Produkte an, die du gemacht hast? Ich würde das machen.

Udo: Ja, da stelle ich mich auch schon mal vor und schaue mir alles genau an. {Alle lachen}

Was macht eurer Meinung nach einen guten Arbeitsplatz aus?

Tracy: Dass ich Spaß und Freude an meiner Arbeit habe und dass man sich auf der Arbeit gut versteht.

Udo: Ja genau, das Umfeld muss stimmen und es ist wichtig mit den Kollegen klar zu kommen. Ich muss sagen, dass ich mich mit allen ganz gut verstehe und keine größeren Probleme mit irgendjemanden hier habe.

Wie würde euer Leben aussehen, wenn ihr nicht arbeiten würdet?

Tracy: Das wäre ein ganz schön langweiliges Leben. Seit dem ich hier arbeite, war ich noch nie krank und ich habe noch keinen Tag gefehlt.

Udo: Ich war mal fast 8 Wochen arbeitsunfähig und man vermisst dann schon einiges. Vor allem aber den täglichen Umgang mit den Kollegen

Mit welchem Gefühl fahrt ihr zur Arbeit und wie kommt ihr zur Arbeit?

Tracy: Ich komme mit Bus und Straßenbahn zur Werkstatt. Morgens bin ich immer noch etwas müde, komme aber mit einem guten Gefühl zur Arbeit.

Udo: Seit 4 Jahren wohne ich nicht weit von hier und komme zu Fuß oder mit dem Fahrrad zur Arbeit. Ich habe eine Frau, die früher noch laufen konnte und dann auf einmal nicht mehr. Sie wird dann mit dem Fahrdienst zur Arbeit gebracht und ich mache mich zu Fuß auf den Weg. Ich komme mit Freude zur Arbeit und höre auf dem Weg immer Musik.

Darf ich fragen, wie ihr euch kennengelernt habt?

Udo: Ich habe meine Frau hier in der Werkstatt kennengelernt, über unseren gemeinsamen Bekannten, der hier im Werkstattrat arbeitet.

Wie ging es denn dann weiter für dich?

Udo: Ich habe auch versucht auf dem freien Arbeitsmarkt zu arbeiten, in der Metallverarbeitung. Das war auch richtig Akkord. Dann war ich noch bei einem Bauern, der eine Stelle mit Familienanschluss in der Zeitung ausgeschrieben hatte.

So bin ich auf Umwegen in die Werkstatt nach Bremen gekommen.

Würdest du sagen, dass sich die Arbeit hier positiv auf deine seelische Gesundheit ausgewirkt hat?

Udo: Ja, auf alle Fälle. Ich konnte durch die Arbeit hier wieder Vertrauen fassen zu Menschen.

Zu deinem Arbeitsumfeld gehört ja auch Tracy, was zeichnet Tracy aus als Kollegin?

Udo: Ihre Freundlichkeit und ihre positive Ausstrahlung. Ich komme mit Tracy sehr gut klar.

Tracy und was zeichnet Udo als deinen Kollegen aus?

Tracy: Er ist hilfsbereit, freundlich und es ist ganz lustig mit ihm, weil er manchmal Späße macht.

Udo: Spaß muss sein!

 

Und habt ihr oder andere Kollegen auch Kontakt zueinander außerhalb der Arbeit?

Tracy: Manchmal, wenn wir Ausflüge machen, ansonsten treffen wir uns außerhalb der Arbeit zur Mittagspause im Speisesaal. Aber ich habe auch viele neue Leute in der Lebenshilfe, dem Martinsclub und anderen Werkstätten kennengelernt.

Udo: Wir kommen ja in den Pausen auch in Kontakt mit den Leuten, die in den anderen Gebäuden arbeiten. Und zu bestimmten Festlichkeiten, wie das Sommerfest oder die Weihnachtsfeier, sieht man sich ja auch. Doch, doch!

Macht es für euch einen Unterschied, ob ihr in der Werkstatt arbeitet oder auf dem ersten Arbeitsmarkt beschäftigt seid?

Tracy: Ich habe schon mal auf dem ersten Arbeitsmarkt gearbeitet, oder war es der Zweite? Auf jeden Fall war das in der Cafeteria Biobiss und da habe ich nach kurzer Zeit gemerkt, dass es zu stressig ist für mich so schnell zu arbeiten. Das Tempo hier ist angenehmer und besser für mich.

Udo: Ich finde es hier gut. Ich habe ja draußen gearbeitet und vorhin davon erzählt, wie ich das fand.

Welche drei Punkte sind von Vorteil hier in der Werkstatt?

Udo: Ersten der Zusammenhalt, zweitens das Umfeld und drittens das Arbeitsklima.

Tracy: Ja, genau!

Könnt Ihr euch noch daran erinnern, was ihr als Kinder mal werden wolltet?

Udo: Ich wollte Tischler werden. Wo ich hier angefangen habe, gab es diesen Bereich aber noch nicht in der Werkstatt.

Tracy: Ich wollte Krankenschwester werden, etwas mit Kindern oder mit Tieren machen. Ich fühle mich jetzt aber auch hier in der Küche wohl und will auch erst mal nichts anderes machen.

Und wie sieht es mit eurem Gehalt aus, seid ihr damit zufrieden?

Tracy: Ja, ich bin mit meinem Gehalt zufrieden. Wenn ich mehr Geld hätte, würde ich es für meine Reise nach Ghana ausgeben. Mein Vater kommt aus Ghana und ich fliege dort nächstes Jahr im Dezember 2018 hin.

Udo: Wir haben zwar grad eine kleine Gehaltserhöhung bekommen, aber es könnte schon ein bisschen mehr sein. Ich würde mir davon vielleicht ‘ne Urlaubsreise gönnen. Ich fahre gerne nach Wangerooge. Das Meer ist dort so schön und mir gefällt, dass es eine autofreie Insel ist.

Was für Freizeitaktivitäten macht ihr außerhalb der Wohnung und der Arbeit?

Udo: Wir wollen jetzt nach Hannover in den Zoo fahren und gemeinsam Essen gehen wir auch.

Und dann geht ihr zum Italiener von Nebenan, oder?

Udo: Meist zum Türken von Nebenan und grade gestern waren wir in einem deutschen Haus essen. War lecker. Ich mag alles von mediterraner Küche bis zur deutschen Hausmannskost. Ich koche auch viel selber, mache Aufläufe oder Bratkartoffeln.

Tracy: Ich esse gerne Hähnchen – Cordon – Bleu, Schnitzel oder Nudeln. Ich koche zuhause regelmäßig für mich selber.

Was ist für euch ein gutes Leben?

Udo: Immer gesund sein und Menschen um mich herum zu haben.

Tracy: Gesundheit ist mir auch wichtig, Freundschaften und andere Leute kennenlernen gehört für mich auch zu einem guten Leben. Manchmal in den Urlaub fahren.

Udo: Also mein Traum wäre ja mal `ne Weltreise.

Tracy: Oh Ha!

Jetzt wird’s spannend! An welche Route hast du denn da gedacht?

Udo: Eine Kreuzfahrt mit der Aida würde mich schon reizen, da habe ich ganz tolle Routen im Internet gesehen. Das Mittelmeer wäre was.

Du meinst die Linie Venedig – Bari – Santorin – Dubrovnik – Venedig…?

Udo: Warum nicht, da bin ich noch nicht gewesen. In Thessaloniki war ich aber schon, eine Busreise, von Rothenburg aus, 21 Tage Zelturlaub. Das fand ich geil.

Welche Begeisterung, nicht das du uns durchbrennst, aber im Zweifelsfall kann man dich ja auf der Aida suchen.

{Alle lachen}

Udo: Ich war früher viel unterwegs. Eigentlich bin ich ein Abenteurer.

Tracy hast du auch noch einen großen Traum, den du verwirklichen möchtest?

Tracy: Eine Fahrt über Bremen mit dem Heißluftballon. Wobei, das muss da oben ja ganz schön hoch sein, nicht dass ich dann Höhenangst bekomme? Ich versuche mir grade bildlich vorzustellen, wie ich nach oben fliege und dann abstürze…

Tracy, Halt – Stop! Ich habe nach deinem Traum und nicht nach deinem Albtraum gefragt.

{Alle lachen}

Tracy: Ich wollte dich noch fragen, ob du mich schon auf der Straßenbahn gesehen hast, die hier durch Bremen fährt. Da ist mein Gesicht drauf und ich halte einen Kaffee in der Hand. Ich bin das Werbegesicht vom Martinshof. Hast du das Foto schon gesehen?

Nein, habe ich noch nicht. Welche Linie ist das denn und der Werbeslogan würde mich auch brennend interessieren?

Tracy: Die fährt nicht nach Gröpelingen. In der Stadt sieht man die schon mal – die Linie 6 oder die 1 glaube ich. Da halte ich einen Kaffee in der Hand und dann steht auch noch was drunter, aber was, kann ich grad nicht erinnern.

Die Chance, euch einen passenden Slogan auszudenken. Wenn ihr für den Martinshof einen Spruch bringen müsstet, welcher wäre das?

Udo: Fröhlichkeit und Freundlichkeit!

Tracy: Lust zu arbeiten!

Udo: Lust auf mehr Produkte!

Tracy: Lust auf mehr Arbeit!

Die Slogans scheinen euch einfach nur so zuzufliegen. Ich bin mir aber sicher, dass eure spürbare Freude an der Arbeit, die beste Werbung für eure Produkte ist. Tracy und Udo, ich danke euch für dieses Gespräch!

– Das Interview wurde von der Autorin Angela Ljiljanic geführt.